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"Reisen als Kunst und das Ende der Topologie" | |||
Review in "PARADEX"
by Gerhard Blechinger Kölner Premierentagen, Galerie Brigitte Schenk, April - May 1998.
Philip Pocock, Felix Stephan Huber, Florian Wenz, Udo Noll, gruppo a12, and øthers. Topologische Definitionen von Lebenszusammenhängen sind heute nicht mehr die Regel, sondern deren Ausnahme. Die Flut von Verfahren und Symbolen als Substitute der Dinglichkeit, ja des Fetisch, sind Anzeichen einer Intellektualisierung. Während die romantische Rede von der Entfremdung des Menschen noch einen status ante denken wollte, scheint derlei Hoffnung auf Rückkehr ins Behagliche heute obsolet. Dieses Ende der Topologie verkehrt die Funktion des Reisens in der westlichen Industriegesellschaft von Grunde auf. Reisen als Ausbildung einer Person galt ja seit den Zeiten der Grand Tour als Institution der Relativierung der Definitionsmacht der heimatlichen Scholle. Ein Weltbürger konnte nur werden, wer sich nicht über das - fraglos vorhandene - Materielle bestimmte, sondern nun über die Symbolwelt des abendländisch Kulturellen. Nur so schein es zu gelingen, sich nicht als Subjekt dem bloß Faktischen zu unterwerfen, sondern selbstbestimmt zu sprechen - per sono. |
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Als rite de passage konnte die Grand Tour Elemente jener privigelienlosen Fahrenden übernehmen,
ohne den jungen Adel in die Absurdität zu entlassen, mit anderen Worten, ihn seiner Wurzeln zu berauben. Damit war das Genre der
bildenden Reise erfunden, das seither einige Bedeutung erlangte. Spätestens seit Keruoacs Verwechslung des Geisteszustands des Reisens
mit dem Ort der Straße jedoch scheint es, als habe ich deise Absurdität zum Princip erhoben. Seit die Anzahl zurückgelegter
Meilen über den Statu zeitgenössischer Subjekte Auskunft geben kann, ist es, als habe sich das Reisen zu einer Paraphrase eines
olympischen Alltags entwickelt. Wenn wir uns, von Mircea Elidae ermutigt, nämlich an unzeitgemäße Parallelisierungen wagen wollen, so spiegelt sich im Sozialprestige des Frequent Travelers noch der Traum der göttlichen Allgegenwart. Nicht mehr der interessierte Studienrat, vielmehr die Businessmen aller Länder sind es, die als Modell unserer jährlich zelebrierten Festzeit Urlaub dienen. Mithilfe ritualisierter und säkularisierter Wallfahrten soll es uns, dem Völk, gelingen, wie in Schillers 15. Brief nunmehr in diesem Spiel den ganzen Mensch zu geben. Deshalb der Aufschrei anläßlich von Forderungen nach einer Rationierung der jährlichen Portion Eigentlichkeit.
Angesichts dieses Gestrüpps der symbolischen Formen hat Philip Pocock eine Expedition zusammengestellt, deren Aufgabe es vielleicht
war, die Bildungsreise neu zu erfinden. Philip Pocock, Florian Wenz, Udo Noll und Felix Stephan Huber waren zusammengekommen, um den
Äquator zu bereisen - A Description of the Equator and Some ØtherLAnds. Die Anspielung an das Buch von 1740 A
Description of the East and Some Other Countries das von dem britischen Reisenden mit dem Namen Pococke stammt, hat den Titel engeregt.
Auf der Dokumenta X konnte man jene Tagebuchaufzeichnungen sehen, die, von den Reisenden täglich verfaßt, über das Internet
in die Ausstellung gesandt wurden. Doch war dies nicht nur ein Live-Publikation von Reisereflexionen, sondern dem Besucher bot sich die
möglichkeit, in diesen Text selbst einzugreifen, in einen elektronischen Briefwechsel mit dem Reisenden zu treten. Die Sucher der
ØtherLands zwangen den Kunstfreund in die Erkenntnis, daß Reisen heute nicht von den Orten handelt, noch von Orten aus
geschieht. Das betont Pocock, wenn er sagt, es gehe ihm um die Reise zu sich selbst, ein Weg, der über die Reise in der Welt beginnen
Die Expedition hatte unlängst an den Kölner Premierentagen, mit dem italienischen Architekturbüro gruppo a12, in der Galerie Brigitte Schenk ihr Lager aufgeschlagen. Go to KIOSK Installation in the "Sculpture Cologne", Art Cologne 1998. |
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